Zitate aus der Sendung “Zeitgenossen” des SWR 2 vom 15.02.2014
« Persönlichkeiten im Gespräch » mit Susanne Kaufmann
Gast ist Rudolf Zwirner, Kunsthändler und Galerist
S.K. : Herr Zwirner, Sie zählten zu den ganz grossen unter den deutschen Galeristen, nur wenige haben den Kunstmarkt, den Kunsthandel in den 1960-iger bis 80-iger Jahren so stark geprägt wie Sie. Mit 26 Jahren haben Sie Ihre erste Galerie eröffnet in Essen, drei Jahre später zogen Sie dann nach Kölln, das war 1962 in der – kann man auch sagen – guten alten Zeit.
Das, lange bevor der Raubtierkapitalismus auch das Gebiet der Kunst erreichte. Wenn Sie aus heutiger Perspektive auf den Kunstmarkt schauen,wonach sehnen Sie sich zurück ?
R.Z. : Zunächst, « die gute alte Zeit » ist relativ, denn sie dürfen nicht vergessen, dass es damals, gerade, was die Galeriearbeit anbetraf, sehr schwierig war. Als ich mich als junger Galerist bei Herrn Reidemeister, Generaldirektor der Köllner Museen, vorgestellt habe, hat Herr Reidemeister meinen Entschluss sehr bedauert und mir mitgeteilt, dass von nun an ich immer an der falschen Seite des Schreibtischs sitzen werde, sozusagen als Bittsteller komme, es wäre sicherer und besser, wenn ich Kunsthistoriker würde, weil das Ansehen des Galeristen zu damaliger Zeit ausserordentlich schlecht war. Aber, was ich angesichts der enormen Vergrösserung des Kunstmarkts heute miterleben muss, denke ich, dass es besser war in einer Zeit, wo die Kunst noch nicht so akzeptiert wurde von der Gesellschaft, wie es heute der Fall ist, weil die Kunst grundsätzlich Widerstand braucht. Die frühe Akzeptanz von Kunst, die im Werden ist, führt zu einer schnellen Kommerzialisierung und dann auch schnell zu einer Banalisierung. Insofern wünschte ich mir heute mehr Widerstand der Gesellschaft gegenüber dem, was Künstler produzieren.
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Heute ist es so, dass jeder junge Künstler davon ausgehen kann, dass, was immer er produziert, sofort in irgendeiner Weise akzeptiert wird, in jedem Falle ausgestellt wird. Also die frühe Akzeptanz des noch im Werden Begriffenen, halte ich für die Kultur nicht förderlich.
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S.K. : Wie hat sich denn das Galeriegeschäft insgesamt dadurch verändert, dass mittlerweile eine so grosse Marketingmaschinerie angelaufen ist ?
R. Z. : Die Vergrösserung führt natürlich zwangsläufig zu einer Banalisierung. Es treten unendlich viele Nichttalente an den Start, weil sie davon ausgehen, dass man mit sogenannter Kunst Geld verdienen kann. Zu meiner Zeit musste man davon ausgehen, dass man nicht Geld verdient. Weder der Künstler, noch der Händler. Der Kreis der Käufer war sehr klein, der Kreis der Künstler ebenfalls. Heute erwartet der angehende Künstler bereits in der Akademie strategische Konzepte wie das Werk, das er beabsichtigt herzustellen, erfolgreich vermarktet wird.
… Der Weg, dass die Produktion auch zu veränderten Formen führt, in der Diskussion mit einem Handwerker, wird abgekürzt, indem man die Sache in Auftrag gibt. Die Fabrik wird es machen. … Das verändert das Werk, dann wird das Werk reproduktionsfähig durch die Maschinerie. Es gehen sehr viel Menschen in die Akademien, die eigentlich keine Voraussetzungen dafür haben.
Es wird sehr schnell erfolgreich vermarktet. Ich habe früher immer gesagt, hebt die Bilder drei, vier Jahre auf und kontrolliert, ob ihr nach drei, vier Jahren noch glaubt, dass sie so gut sind, wie sie heute erscheinen , gebt die Arbeiten nicht aus dem Atelier, schaut euch die Arbeiten über einen längeren Zeitraum an, weil ihr auch die Entwicklung zu neuen Arbeiten aus den alten Arbeiten abzieht. Ihr seid besser, wenn ihr euch über drei, vier Jahre mindestens mit den Arbeiten auseinandersetzt im Hinblick auf die neuen Arbeiten. Das wird heute nicht mehr gemacht. Es wird heute produziert und spätestens, wenn die Arbeit fertig ist, wird sie schon in die Galerie transportiert und wird verkauft. Und das muss auch so sein, weil die Künstler alle sehr schnell sehr viele Ausstellungen haben. Das setzt aber voraus, dass sie in relativ kurzer Zeit eine Produktion herstellen müssen, denn die Galeristen haben heute drei, vier, fünf Kunstmärkte im Jahr, dafür müssen die Künstler produzieren. So geht es aber nicht. Nie kann ein Künstler Kunst immerzu auf Bestellung herstellen, das funktioniert nicht. Es sind lange Prozesse und die werden verkürzt, weil der Markt unbedingt Material braucht und das ist alles, langfristig gesehen, nicht optimal.